EKD-Synode: Kritik von Betroffenen am Status quo der Aufarbeitung
Bremen (epd).
Zu Beginn der Jahrestagung der evangelischen Kirche
haben Betroffene sexualisierter Gewalt den Stand der Aufarbeitung in
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisiert. Für
Betroffene habe sich in den vergangenen Jahren nichts oder nur wenig
geändert, sagte Katharina Kracht, selbst Betroffene von
sexualisierter Gewalt, am Sonntagmorgen in einer
Online-Pressekonferenz. Während die katholische Kirche öffentlich
stark unter Druck sei, gelinge es der EKD, von den Problemen in ihren
Institutionen abzulenken und den «Mythos von Einzelfällen» zu
verbreiten.
Kracht war bis zuletzt Mitglied in dem im vergangenen Herbst
etablierten Betroffenenbeirat auf Ebene der EKD. Dieser
Betroffenenbeirat war im Mai bereits einseitig vom Rat der EKD
ausgesetzt worden. Grund dafür waren interne Konflikte im Gremium und
eine fehlende Rollenklärung in der Zusammenarbeit mit der EKD.
Mehrere Mitglieder traten daraufhin zurück, vier Mitglieder
verblieben in dem Gremium, darunter auch Kracht.
Kracht und weitere Betroffene kritisieren die versprochene
Evaluation dieses vorläufigen Scheiterns der Betroffenenbeteiligung
auf Ebene der EKD. Finanziert werde nun eine sogenannte Expertise,
diese werde jedoch von einer Einzelperson durchgeführt, die aus Sicht
der Betroffenen keinerlei Fachlichkeit im Bereich sexualisierter
Gewalt aufweisen könne. Begleitet werde diese Expertin von einer
Traumatherapeutin. «Betroffene werden immer wieder auf ihr reales
oder angenommenes Trauma reduziert», sagte Kracht.
Auf der seit Sonntag digital tagenden EKD-Synode wird der Stand
der Aufarbeitung am Montagnachmittag im Plenum diskutiert. Die EKD
hatte im Mai betont, am Prinzip der Betroffenenbeteiligung an der
Aufarbeitung festzuhalten. Bislang sind 942 Fälle sexualisierter
Gewalt innerhalb der EKD bekannt.
Henning Stein, ebenfalls Mitglied des ausgesetzten
Betroffenenbeirats, sagte, er habe den Eindruck gewonnen, dass die
EKD kein Interesse an einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe habe. Die
Kirche wolle weiterhin die Deutungshoheit besitzen, sagte der Vater
eines körperbehinderten Betroffenen, der in einem Internat sexueller
Gewalt ausgesetzt gewesen ist.
Mitglieder des Betroffenenbeirats hätten sehr früh eine externe
Vermittlung von dritter Seite zwischen der Kirche und dem Gremium
gebeten. Dies sei abgelehnt worden. Die Kirche habe den
Betroffenenbeirat «im eigenen Saft schmoren» lassen. «Wir wurden an
Entscheidungsprozessen der Kirche nicht beteiligt. Wir wurden
regelmäßig vor vollendete Tatsachen gestellt», sagte Stein.