Kritik an der Aufarbeitung von Missbrauch
Hannover (epd).
Die Sozialpädagogin und Soziotherapeutin Claudia Chodzinski hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für deren nach ihrer Ansicht zu passive Rolle bei der Aufarbeitung von Missbrauch kritisiert. Aufklärung und die Schaffung entsprechender Strukturen geschähen noch immer nur nach öffentlichem oder individuellem Druck von Betroffenen, sagte Chodzinski in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Eine Institution wie die Kirche müsste eigentlich eine eigene Motivation haben, sich proaktiv um dieses Thema zu kümmern.“ Chodzinski steht als externe Beraterin Menschen nach sexuellem Missbrauch in Kirchen und anderen Institutionen zur Seite.
Auch die Bekundung der neuen EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus während der jüngsten Synode Ende 2021, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zur „Chefinnensache“ machen zu wollen, beurteilt die Expertin aus Hannover skeptisch. Solche und ähnliche Bekundungen, dass sich etwas grundlegend verbessern werde, „haben wir schon vielfach und seit Jahren gehört“, sagte sie. „Passiert ist danach aber nichts.“ Die Kirche habe offensichtlich keinen Plan für eine strukturierte Vorgehensweise. Sie hole sich keine Expertise von außen mit ins Boot. „Sie ist zu langsam, zu behäbig und hilflos.“
Chodzinski vermisst zudem, dass Menschen, die in der Kirche wichtige Funktionen bekleiden, über das Thema Missbrauch und sexualisierte Gewalt sprechen und sich öffentlich positionieren. „Sie sagen immer nur etwas, wenn sie gefragt werden.“ Sie halte es für eine Vermeidungshaltung, wenn immer auf die demokratischen Strukturen verwiesen werde, die Entscheidungen angeblich verzögerten. Bischöfe könnten auch in der evangelischen Kirche Entscheidungen treffen, ohne erst Gremien zu beteiligen. „Zumindest hat ihr Wort Gewicht, und sie sind Vorbilder.“
Die landeskirchlichen Abteilungen und besonders die betroffenen Gemeinden vor Ort erlebe sie allerdings mittlerweile häufig transparenter, aufrichtiger und engagierter, sagte die Pädagogin. Als Beispiel nannte sie auch die Fachstelle sexualisierte Gewalt der hannoverschen Landeskirche. Dort arbeiteten jetzt mehrere Fachleute unter einer neuen Leitung, was hoffen lasse.
Ein Manko bleibe aber in der EKD wie auch in vielen Landeskirchen der nicht geregelte Umgang mit den Betroffenen. Wie gut das jeweils vor Ort funktioniere, hänge sehr stark von den handelnden Personen ab. Die Betroffenen selbst müssten aber immer wieder nachfragen. „Die Kirche geht nicht auf die Menschen zu.“ Darüber hinaus fehle es an einer Strategie, wenn heute Fälle gemeldet würden. „Da kann und muss noch eine Menge passieren.“