Meyns: EKD für staatliche Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauch

Nachricht Hannover/ epd, 02. Februar 2022

Meyns: EKD für staatliche Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauch

Braunschweig (epd).

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
befürwortet eine staatliche Kommission zur Aufarbeitung
sexualisierter Gewalt. «Daran würden wir uns selbstverständlich
beteiligen»
, sagte der Sprecher des Beauftragtenrats der EKD zum
Schutz vor sexualisierter Gewalt, Landesbischof Christoph Meyns, dem
Evangelischen Pressedienst (epd). Dies sei eine große Chance,
sexualisierte Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem anzugehen
und aufzuarbeiten.

  Der Staat sei dann in einer zentralen Rolle, die Fälle
sexualisierter Gewalt in allen Institutionen und Lebensbereichen wie
den Kirchen, aber auch dem Sport, den Schulen, Jugendeinrichtungen,
bei der Kinderbetreuung und in den Familien aufzuklären. Es sei
jedoch fraglich, ob der Staat eine solche Rolle übernehmen wolle und
wie die dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen zu schaffen seien,
sagte der Bischof der braunschweigischen Landeskirche. In jedem Fall
gelte: «Die Politik wird uns die Verantwortung für die Aufarbeitung
nicht abnehmen.»


  Der Forschungsverbund «ForuM», der auf Initiative der EKD Fälle
von sexualisierter Gewalt innerhalb der evangelischen Kirche und
ihrer Diakonie wissenschaftlich aufarbeite, wird Meyns zufolge
Erkenntnisse über problematische Strukturen vorlegen. «Wir wollen
wissen, was sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche
ermöglicht hat»
, sagte Meyns. Diese Faktoren seien vermutlich andere
als in der katholischen Kirche.

  Darüber hinaus starteten die evangelischen Landeskirchen gerade
mit Planungen für Aufarbeitungskommissionen. In den ersten Jahren
nach der Aufdeckung der ersten Missbrauchsfälle 2010 sei es vor allem
um Prävention gegangen. «Seit 2018 wird aber auch verstärkt der
Bereich der Aufarbeitung in den Blick genommen»
, so Meyns.

  Eine diesbezügliche Vereinbarung der EKD mit dem Unabhängigen
Beauftragten des Bundes für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
über Standards der Aufarbeitung sei weitgehend vorbereitet. Aber es
müssten noch wichtige Details geklärt werden, vor allem im Blick auf
die Beteiligung der Betroffenen. Bis eine tragfähige Struktur
geschaffen sei, werde es noch ein gewisser Weg sein:
«Betroffenenbeteiligung ist kein Sprint, sondern ein Marathon.» Die
ursprünglichen Mitglieder des im vergangenen Frühjahr wegen
Konflikten ausgesetzten Betroffenenbeirats seien aber auch aktuell
eingeladen, sich bei wichtigen Entscheidungen zu beteiligen.

  Anders als in der katholischen Kirche, die hierarchischer
strukturiert sei, seien in der evangelischen Kirche gewählte Gremien
für alle Entscheidungen zuständig. Diese demokratische Vielfalt
unterstütze die Aufarbeitung, sei manchmal aber auch hinderlich, wenn
es um klare Verantwortung gehe, gestand der Bischof ein: «Da droht
die Gefahr, dass Verantwortung diffundiert und am Ende niemand mehr
verantwortlich ist. Das dürfen wir nicht zulassen.»